DIE JAHR100KURVE – SKO im Designprozess
Ein Kooperationsprojekt der Hochschule Magdeburg-Stendal und sachs-engineering Interviewauschnitt vom 28.12.2011 publiziert auf www.zwomp.de
Was ist denn SKO?
SKO ist die Abkürzung für „Soft-Kill-Option“. Die SKO-Methode nach Claus Mattheck dient der Optimierung von Konstruktionen. Mattheck hat die gestaltgebenden Kräfte von Bäumen und Knochen dergestalt abstrahiert, dass uns heute Computerprogramme zur Verfügung stehen, die jene gestaltgebenden Kräfte simulieren und nutzbar machen. Natürliche Formbildungen haben naheliegenderweise die Material- und Gewichtsersparnis zum Ziel. Dies ist auch das Ziel von SKO.
Und wie gelingt das?
Die Materialersparnis beruht auf einer neuartigen Intelligenz der Grundgeometrien von Objekten und hauptsächlich dem Einsatz von zug- statt druckkraftspezifischen Lösungen. Außerdem findet eine faszinierende Vorwegnahme des Versagens von Objekten statt. Wenn sich Bauteile unter Druck verbiegen, sorgen SKO-basierte Geometrien dafür, dass das Verbiegen in eine vordefinierte Richtung passiert. Ist diese Richtung bekannt, halten Zugelemente das Objekt in seiner gewünschten Geometrie.
Wie muss man sich denn das Verfahren ganz praktisch vorstellen?
Man stellt dem Programm einen Bauraum zur Verfügung und informiert es darüber, welchen Spielraum es für seine Lösungsvorschläge nutzen kann. Dann werden Kräfte definiert, die das Objekt aushalten, respektive leisten muss. Fortan beginnt die SKO-Methode, alles an dem jeweiligen Objekt „wegzurechnen“, was nicht notwendig ist. Es entstehen skizzenhafte Bilder von Strukturen, die dann zu interpretieren sind.
SKO war bisher eher ein Engineering-Thema. Wie kommen Sie als Designer zu diesem Verfahren?
Ein designinteressierter Ingenieur und ein konstruktionsinteressierter Designer haben eine Schnittmenge gefunden. Wolfgang Sachs, Geschäftsführer des Unternehmens Sachs-Engineering und ich haben uns zufällig bei einem Forschungsprojekt kennengelernt. Persönliche Sympathie führte zu einem inhaltlichen Gespräch bezüglich der SKO-Methode. Wir kamen überein, Know-how und Software von Sachs-Engineering mit den Methoden des Designs in einem Kooperationsprojekt an unserer Hochschule zu kombinieren. Das Konzept ging auf und mir gingen die Augen über.
SKO ist ein automatischer Prozess – Design ein kreatives Unterfangen. Wie passt das eine zum anderen?
SKO leitet einen kompletten Paradigmenwechsel ein, wenn man Interesse daran hat, leistungsfähigere, leichtere, dauerfeste und CO2–sparende Lösungen zu finden. Manche bekannten statischen Erkenntnisse werden obsolet gegenüber dem Optimierungspotenzial der SKO-Methode. Als Designer bekommen wir per SKO neue Lösungsvorschläge, an die wir bisher nicht gedacht haben.
Und was machen Sie aus diesen, sagen wir, Vorschlägen?
Eine statisch gesehen „optimale“ Metaform bedeutet nicht automatisch ein „optimales“ Produkt. Somit entbindet SKO uns nicht von der ureigentlichen Aufgabe des Designs, Entwürfe im Spannungsfeld von Kultur, Kommerz und Konstruktion anzubieten. Kurz gesagt, eine „Wahrheit der Natur“ stellt nicht zwangsläufig eine „Wahrheit der Kultur“ dar.
Wie bewerten Sie die ersten Ergebnisse des Hochschulprojektes?
Wir haben durch die SKO-Methode „eine“ Wahrheit gefunden, an der wir uns reiben. Wer Interesse hat, material, gewichts– und ressourcensparende Lösungen anzubieten, wird diese Methode ins Kalkül ziehen.
Für welche Produktbereiche wäre SKO ein besonders wertvolles Tool?
Als Projektleiter bin ich insbesondere an der Designanalyse archetypischer Objekte interessiert, also Haken, Kragarm, Hebel oder Träger. Ich sehe durch die Bearbeitung von Archetypen die beste Möglichkeit, die gestalterischen Konsequenzen von SKO zu demonstrieren. SKO ist interessant für alle Produkte, bei denen Kräfte im Spannungsfeld zu einem niedrigen Gewicht stehen. Das sind alle Bereiche der Verkehrsmittel, aber auch die Medizintechnik, der Outdoorbereich, Freizeitbedarf, Werkzeuge oder die Zuliefererindustrie für alle Teile, die etwas halten oder tragen müssen.
In der Vergangenheit sind extreme Entwicklungen immer auch vom Militär angestoßen und vorangetrieben worden – wie ist das mit der SKO?
Sicherlich wird sich das Militär auch für leichte Gegenstände aller Art interessieren, aber die Hölle wird einen besonderen Platz für die Designer und Ingenieure bereit halten, die die gestaltgebenden Hinweise der Natur für die Produktion von Waffen verwenden. In unserem Kooperationsprojekt sind wir überein gekommen, nicht für die Rüstungsindustrie zu arbeiten, die sicherlich ein sehr starkes Interesse an dem Thema hat.
Nochmals zurück zum Designprozess. Was passiert mit dem SKO-Output konkret?
Wir bauen Modelle und erkunden die Plausibilität der Lösungen. Dies verbindet uns mit den Menschen der Renaissance. Hierbei irren wir uns auch, aber das genieße ich, denn es zeigt, dass man Sachen macht, die neu sind.
Wie geht es nun mit SKO weiter an der Hochschule?
Jeder neue Standpunkt muss sich nicht nur in seiner jeweiligen Disziplin durchsetzen, sondern auch seinen Weg durch die öffentliche Wahrnehmung – die Medien – gehen. Wir suchen das Gespräch mit Interessierten und sehen dann weiter.